In der vergangenen Legislatur wurden die regulatorischen Grundlagen für die Digitalisierung der Medizin in Deutschland gelegt. Wie schätzen Sie deren Potenzial für die Gesundheitsversorgung in Deutschland ein?
Wir müssen über die Voraussetzungen eines digitalen Gesundheitswesens reden wie schnelles Internet und funktionierenden Datenschutz. Ich sehe vor allem zwei Vorteile. Erstens die Arbeitseffektivität: Wir könnten etliche doppelte Prozesse vermeiden, wodurch wir Zeit und Untersuchungskapazitäten sparen. Zweitens stärken Datenspenden im Rahmen eines sich ständig verbessernden Datenschutzes den Forschungs- und Versorgungsstandort.
Die Verfügbarkeit medizinischer Daten, insbesondere im zeitlichen Verlauf, ist für die Weiterentwicklung der Medizin von herausragender Bedeutung. Wie wollen Sie die Verfügbarkeit derartiger Daten für die Forschung verbessern? Welche Rolle soll der einzelne Bürger dabei einnehmen?
Nehmen Sie das Beispiel des Tumorregisters. Die Freiwilligkeit der zur Verfügung gestellten Daten liegt hier bei den Patient:innen bei mehr als 95 Prozent. Die Bereitschaft der Patienten, Daten zu teilen, betrifft auch viele andere Bereiche. Allerdings müsste die Anonymisierung der Daten gewährleistet sein und die Patienten müssen selbst bestimmen, welche Daten zur Verfügung gestellt werden. Warum lassen wir nur Universitäten und Institute forschen und nicht auch die Privatwirtschaft?
Zentrale Rolle der gematik ist es, Standards für den Einsatz digitaler Technologien zu definieren. Zunehmend übernimmt die gematik auch Umsetzungsaufgaben wie Entwicklung und Vertrieb von Apps. Wie operativ soll sich die gematik als staatliches Unternehmen zukünftig am Markt positionieren?
Die Kernaufgabe der gematik ist die Herstellung einer sicheren Infrastruktur für Ärzte, Apotheken und Patienten. Dazu gehört auch die Interoperabilität der Schnittstellen. Man muss jedoch darauf achten, dass die gematik nicht zu viele Aufgaben übernimmt, die auch und teils besser von privaten Anbietern getragen werden können.
Die Defizite der bestehenden DRG-basierten Krankenhausfinanzierung sind offenkundig. Wie sieht eine bessere Alternative aus und welche Rolle werden dabei Patienten-Outcomes spielen?
Die Finanzierung der Krankenhäuser basiert auf einer dualen Finanzierung. Die Länder haben sich in den letzten Jahrzehnten unzureichend an den Investitionskosten beteiligt. Die Krankenhäuser sind deshalb defizitär. Als das DRG-System eingeführt wurde, waren die Liegezeiten unnötig lang, weil es zuvor Tagessätze gab. Durch das DRG-System sind die Liegezeiten im Sinne der Patienten verkürzt worden. Allerdings sind neue Fehlanreize entstanden, weil das Geld fehlt. Ich sehe die Herausnahme der Pflegekosten aus dem System kritisch. Auf Dauer käme das einem Ende des DRG-Systems gleich. Sobald das Fachkräfteproblem nicht mehr existiert, sollten wir das DRG-System wieder als Einheitssystem aufleben lassen. Die FDP setzt sich für eine Strukturreform der Krankenhäuser und Qualitätskriterien ein. Der Bund – und nicht die Krankenkassen – muss den Strukturrahmen vorgeben, wie Krankenhäuser aussehen müssen. Vor Ort können die Länder besser entscheiden. Entscheidend sind mehr Vernetzung und sektorenübergreifende Zusammenarbeit. Angegangen werden muss auch die Reform der Notfallversorgung.
Mit welchen Maßnahmen planen Sie die digitale Gesundheitswirtschaft in Deutschland zu stärken? Braucht es zur Absicherung der Investitionsfähigkeit in digitale Infrastruktur eine Fortführung bzw. Ausweitung des KHZG?
Alles muss auf dem Prüfstand, was der Gesundheitsminister auf den Weg gebracht hat. Er hat zwar alle Themen richtig benannt, aber nicht alle Problemfelder verbessert. Es fehlt die Nachhaltigkeit . Die Ziele sind klar: Wir müssen die Überversorgung in Ballungsgebieten reduzieren und die mangelhafte Versorgung in ländlichen Regionen beseitigen. Beides in Kooperation mit den niedergelassenen Kolleg:innen. Ein Instrument dafür ist die Digitalisierung.
Der DVG-Fast Track wurde konzipiert, um digitale Innovationen schneller in die Regelversorgung zu überführen. Wie bewerten Sie den Fast Track? Sollte er abgeschafft oder gar auf andere Anwendungsbereiche innerhalb der Medizin ausgeweitet werden?
Innovationen entwickeln sich immer schneller. Die Frage ist, wie kommt die Innovation beim Patienten an? Bürokratie darf nicht dazu führen, dass die Versorgung nicht mehr auf der Höhe der Zeit ist. Notwendige Verfahrensbeschleunigungen sehe ich bei der personalisierten Präzisionsmedizin und in den Bereichen Therapie und Diagnostik. Aber diese Beschleunigung wird sicher anders aussehen als das Fast-Track Verfahren bei den DiGA.
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