ePatient, Gesundheit 2025

#btw21 – Wahlprüfsteine: Fragen an Die Linke

Sechs Fragen an Die LINKE zur Bundestagswahl: Über DiGA, Daten und Daseinsvorsorge. Schriftlich beantwortet, dokumentieren wir die Antworten der Partei ungekürzt.

von hih
In der vergangenen Legislatur wurden die regulatorischen Grundlagen für die Digitalisierung der Medizin in Deutschland gelegt. Wie schätzen Sie deren Potenzial für die Gesundheitsversorgung in Deutschland ein?

Die Digitalisierung birgt nach Ansicht der LINKEN wie jede Technologie oder neue Therapieverfahren sowohl Chancen als auch Risiken. Die Anwendungen innerhalb der Telematikinfrastruktur (TI), vor allem die Patientenakte, können helfen, das Selbstbestimmungsrecht der Versicherten zu verwirklichen. Patientennahe Anwendungen können die Therapie verbessern und die Adhärenz erhöhen. Voraussetzung ist eine gute Evidenz dafür, dass die Anwendungen mehr Nutzen als Risiko für die Patient*innen bieten. Leider wurde die 15 Jahre währende Lähmung nun durch unkritischen Aktionismus ersetzt. So wurden unfertige Anwendungen veröffentlicht, Datenschutzpannen provoziert und hohe Kosten verursacht. DIE LINKE kritisiert scharf, dass mit der Einführung der elektronischen Patientenakte das Versprechen für volle Datensouveränität für die Patient*innen nicht eingehalten wurde. Unsichere Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) kamen in die Versorgung, ihr Nutzen für die Patient*innen wird kaum überprüft.

Die Verfügbarkeit medizinischer Daten, insbesondere im zeitlichen Verlauf, ist für die Weiterentwicklung der Medizin von herausragender Bedeutung. Wie wollen Sie die Verfügbarkeit derartiger Daten für die Forschung verbessern? Welche Rolle soll der einzelne Bürger dabei einnehmen?

Für DIE LINKE muss das öffentliche Interesse an Forschung mit dem öffentlichen sowie individuellen Interesse an Datensparsamkeit, Datensicherheit und informationelle Selbstbestimmung austariert werden. Für datenschutzrechtlich unkritische Forschung mit anonymisierten Daten sollten die verfügbaren Routinedaten mit anderen Datensätzen wie Registerdaten unkompliziert zusammengeführt werden können. DIE LINKE lehnt allerdings Forderungen nach Aufweichung des Selbstbestimmungsrechts konsequent ab. Persönliche Gesundheitsdaten sind zu sensibel, als dass es eine ethische Pflicht zu ihrer Bereitstellung zu Forschungszwecken geben könnte. Für eine solche Entscheidung muss eine ausführliche und unabhängige Aufklärung gewährleistet werden. Ein Formblatt im Krankenhaus ist dafür ebenso wenig zielführend wie lange geltende Blankoerklärungen.

Zentrale Rolle der gematik ist es, Standards für den Einsatz digitaler Technologien zu definieren. Zunehmend übernimmt die gematik auch Umsetzungsaufgaben wie Entwicklung und Vertrieb von Apps. Wie operativ soll/sollte sich die Gematik als staatliches Unternehmen zukünftig am Markt positionieren?

Für DIE LINKE ist die Gesundheitsversorgung und damit auch die Gestaltung deren Digitalisierung Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Wir sehen sowohl die Anwendungen der Telematikinfrastruktur (TI) als auch therapeutische, pflegerische oder andere Anwendungen nicht als Markt, sondern zuvorderst als Mittel für die Verbesserung der Bedingungen für Patient*innen und Beschäftigte an. Zentrale Anwendungen sollten in staatlicher Regie entwickelt und an den Markt gebracht werden. Das kann auch therapiebegleitende Apps etc. betreffen. Es ist allerdings fraglich, ob die gematik, die als Organ der gemeinsamen Selbstverwaltung konzipiert wurde, dafür die richtige Institution ist. Auch fehlt bislang eine wirksame Überprüfung von DiGA hinsichtlich des Patientennutzens und der Datensicherheit. Besser wäre ein eigenständiges Institut, das Kompetenz in der Informationstechnik und in der Therapiebewertung miteinander vereint.

Die Defizite der bestehenden DRG-basierten Krankenhausfinanzierung sind offenkundig. Wie sieht eine bessere Alternative aus und welche Rolle werden dabei Patienten-Outcomes spielen?

Wir stimmen zu, dass diese Defizite offenkundig sind. Daher fordert unsere Fraktion seit vielen Jahren die Abschaffung der DRGs und die Einführung einer kostendeckenden Vergütung, zuletzt in Bundestags-Drucksache 19/26168. Patienten-Outcomes wollen wir verbessern, indem die Strukturqualität in den Krankenhäusern verbessert wird. Ein Beispiel zur Verdeutlichung: Niemand würde den Outcome einer Schule mit den erreichten Noten messen und erst recht davon nicht die Höhe der Finanzierung der Schule abhängig machen. Ein Krankenhaus, das schlechte Leistungen erbringt, braucht keinen Wettbewerb, sondern muss gemeinsam mit den beteiligten Akteur:innen und einer ausreichenden Finanzierung die Qualität verbessern. Die Messung und Auswertung von Kennzahlen zu Patienten-Outcomes kann wichtige Hinweise liefern, ist aber zur Bemessung der Finanzierung ungeeignet.

Mit welchen Maßnahmen planen Sie die digitale Gesundheitswirtschaft in Deutschland zu stärken? Braucht es zur Absicherung der Investitionsfähigkeit in digitale Infrastruktur eine Fortführung bzw. Ausweitung des KHZG?

Die digitale Gesundheitswirtschaft wollen wir insoweit fördern, wie ihre Produkte der Versorgung der Patient*innen oder der Weiterentwicklung des Gesundheitssystems insgesamt inkl. Verbesserung von Arbeitsbedingungen dienen. Dafür braucht es klare Vorgabe zum Nachweis des Nutzens inklusive Usability bei der Zielgruppe und der Datensicherheit sowie eine transparente und faire Preisgestaltung. Dafür erwartet die Unternehmen eine langfristige und planbare Abnahme durch die Krankenkassen sowie transparente Anreize für die Produktentwicklung. DIE LINKE fordert seit Langem eine Bundesbeteiligung zum Abbau des Investitionsstaus in Krankenhäusern. Allerdings haben wir die Verengung des Zukunftsfonds auf Digitalisierung und Notfallversorgung kritisiert. Wir fordern, dass der Bund bis zu 2,5 Mrd. Euro jährlich zu den Länderausgaben für Investitionskosten zuschießt und der Investitionsstau von 50 Mrd. damit über 10 Jahre abgebaut wird.

Der DVG-Fast Track wurde konzipiert, um digitale Innovationen schneller in die Regelversorgung zu überführen. Wie bewerten Sie den Fast Track? Sollte er abgeschafft oder gar auf andere Anwendungsbereiche innerhalb der Medizin ausgeweitet werden?
Alle therapeutischen Anwendungen sollten nach Ansicht der LINKEN valide auf Nutzen und Risiken für die Patient*innen untersucht werden. Bei Arzneimitteln brauchte es den Conterganskandal, um eine solche Überprüfung einzuführen. Dieser Fehler sollte bei digitalen Anwendungen nicht wiederholt werden, auch wenn sich die Risiken qualitativ unterscheiden. DIE LINKE fordert, dass mit Bundesmitteln eine angepasste Methodik für eine evidenzbasierte Untersuchung der Patienteneffekte entwickelt und dabei auf internationale Erfahrungen etwa aus Großbritannien aufgebaut wird. Das Ziel ist nicht, möglichst viele Anwendungen, sondern möglichst wirksame Anwendungen in die Versorgung zu bringen. Da der Nutzen weder aus der subjektiven Erfahrung noch aus big data-Analysen valide einzuschätzen ist, braucht es eine angepasste Studienmethodik, die insbesondere eine echte Randomisierung der Studienarme gewährleistet.
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