Henrik Matthies hat in der Startup-Szene schon einiges angeschoben: Er hat den Studi-Chat TellM gegründet, der später zu Jodel mutierte. Dann brachte er die Audio-Software Mimi auf den Markt, die Schwerhörigkeit kompensieren soll. Jetzt hat Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) den Gründer gemeinsam mit Professor Jörg Debatin mit dem Aufbau des Health Innovation Hub beauftragt.
Debatin, Matthies und ihr Team sollen dafür sorgen, dass die Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens gelingt. Ziel ist, dass alle Stakeholder die Herausforderungen der Digitalisierung begreifen. Ferner sollen Startups die „App auf Rezept“ verstehen, die ein zentrales Thema im Entwurf des neuen Digitale Versorgungs-Gesetzes (DVG) darstellt. „Was gerade passiert, ist eine Zeitenwende“, sagt Matthies.
„Digitale Anwendungen, die dem Patienten nutzen, werden Teil der Regelversorgung und damit von allen gesetzlichen Krankenkassen bezahlt“, so Matthies. Bisher galt das nur eingeschränkt: Gründerinnen und Gründer haben mit einzelnen Kassen Kooperationen geschlossen, um einen Marktzugang und Erlösquellen zu generieren – zum Beispiel das Hebammenportal Kinderheldin mit der Barmer, die Migräne-App M-Sense mit der IKK und anderen Partnern sowie die Mentaltrainings-App Mindance oder der Sportmarktplatz Yolawo mit der AOK.
„Wir hoffen auf ein Feuerwerk“
„Startups entwickeln großartige Dinge, aber die Hürden sind dramatisch hoch“, benennt Matthies das aktuelle Problem vieler junger Unternehmen. „Wir hoffen auf ein Feuerwerk am 1. Januar 2020, wenn das DVG voraussichtlich in Kraft tritt.“ Dass der Weg dorthin schwierig war, weiß auch Karl Broich, der Präsident des Bundesamtes für Arzneimittel und Medizinprodukte. „Die Bedenkenträger waren zahlreich“, sagte er kürzlich in einer Keynote beim Company Builder Flying Health.
Nicht jedes Startup, das irgendwas mit Gesundheit entwickelt, wird es zur „App auf Rezept“ schaffen. „Das ist kein Freifahrtschein. Die Apps müssen einen positiven Effekt auf die Gesundheit haben“, sagt Matthies. Eine Freigabe der App soll innerhalb von drei Monaten erfolgen. Das Bundesamt für Arzneimittel soll diese Evidenzprüfung überwachen. „Dafür sollen Daten in den ersten zwölf Monaten nach dem Marktstart erhoben werden“, wenn noch keine Evidenz für das Produkt vorliegt. Danach wird dann entschieden, ob die App etwas taugt und weiter bezahlt wird oder nicht.
Es gelten also weit niedrigere Hürden als bei klassischen Medikamenten mit Entwicklungszyklen von mehreren Jahren und aufwändigen klinischen Studien. Allerdings geht es bei der „App auf Rezept“ auch nur um niedrigschwellige Medizinprodukte der Klassen 1 bis 2a, die kein besonderes Gesundheitsrisiko darstellen, zum Beispiel Apps, die bei Diagnose und Therapie unterstützen.
Mahnung zu Augenmaß
Spannender wird es, wenn demnächst komplexere digitale Medizinprodukte auf den Markt kommen – sogenannte Digital Drugs, also Software-Anwendungen mit einem therapeutischen Effekt oder KI-basierte Diagnoseverfahren. Dann könnte ein anderes mächtiges Gremium ins Spiel kommen: der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA). Er legt die Leistungen in der Regelversorgung der Krankenkassen fest. Hier mahnte Broich, Augenmaß zu bewahren.
Um für das neue Gesetz zu werben und Startups zum Entwickeln von Gesundheits-Apps zu motivieren wird der Health Innovation Hub im Juli eine Roadshow durch Deutschland starten: von Berlin nach Leipzig, ins Medical Valley Erlangen, nach München zur Technischen Universität, nach Düsseldorf und Hamburg. „Wir wollen damit alle Digital-Health-Startups in Deutschland erreichen“, sagt Matthies.
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TXT: Jürgen Stüber
Foto: Jan Pauls/hih2025
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