DVG Fast Track / DiGA, Smart Praxis, Gesundheit 2025

DiGA-Interview-Reihe > Teil 3: Eva Schweitzer-Köhn, Psychotherapeutin und Mitglied des bvvp Vorstand

Unsere Diskutanten zeigen sich kritisch, aber auch verhalten neugierig. Der DiGA wird als Ergänzung zu herkömmlichen Therapien eine Chance eingeräumt, wenn die Fragezeichen ausgeräumt sind.

von Usetree

Wie erfuhren Sie erstmals von der neuen Möglichkeit, Digitale Gesundheitsanwendungen verschreiben zu können?
Daran kann ich mich gar nicht mehr erinnern.

Fühlen Sie sich zum jetzigen Zeitpunkt ausreichend (durch wen?) informiert, dies auch in Ihrer Praxis anwenden zu können?
Ich persönlich ja, weil ich mich sehr viel damit beschäftige. Das dürfte aber bei vielen meiner Kolleg*innen, die weniger Zeit in der Berufspolitik verbringen können, noch nicht so sein.

Welche Vorstellungen der praxis-internen Prozesse haben Sie sich diesbezüglich gemacht? Wo sehen Sie noch Probleme?
Meine Probleme sind weniger praxisintern als grundsätzliche Bedenken bzgl. der Apps. Diese werden beim BfArM gelistet, nachdem sie einen Nutzen für die Versorgung nachgewiesen haben. Hier ist das Kriterium für die Anwendung in der Versorgung mit Patient*innen weitaus niedriger angesetzt als bspw. bei Medikamenten oder bei Psychotherapieverfahren und Methoden. Zudem können Apps auch ‚auf Probe‘ gelistet werden für mindestens 1 Jahr, innerhalb dem sie erst den Nutzennachweis erbringen müssen. Hier werden Patient*innen ggf. zu Versuchskaninchen für die App-Hersteller! Das können wir auf keinen Fall verantworten. Zudem sehen wir Datenschutzbedenken. Selbst wenn die App als solches auf Datensicherheit ausreichend geprüft wäre, besteht immer noch das Problem, dass die App im Google- oder Apple-Store heruntergeladen werden muss und damit bei Google oder Apple bekannt wird, wer diese App heruntergeladen hat und damit Rückschlüsse auf eine mögliche psychische Erkrankung möglich sind. Das halten wir für hoch problematisch. Ein weiteres Problem ist, dass die Apps auch von den Krankenkassen den Versicherten empfohlen werden können ohne vorherige Indikationsstellung durch eine Ärzt:in oder Psychotherapeut:in. Die Krankenkassen können damit direkt in die Versorgung einsteigen, in die Behandlungshoheit der Ärzt:innen und Psychotherapeut:innen eingreifen. Auch dieses können wir keinesfalls gutheißen. Man muss bedenken, dass Apps im schlimmsten Fall nicht nur nicht nutzen, sondern auch schaden können bei unseren vulnerablen Patient*innen.

Insofern kann ich persönlich mir im Augenblick kaum vorstellen, dass ich tatsächlich Apps in meiner Praxis bei meinen Patient*innen nutzen möchte. Falls doch (ein paar sehr wenige gut geprüfte Apps gibt es doch), sehe ich bislang kein weiteres organisatorisches Problem in meiner Praxisorganisation.

Welche Bedenken, und auch welche Chancen sehen Sie in diesen Möglichkeiten für Ihre Patient:innen und sich selbst als Psychotherapeut*in?
Siehe oben

Werden Sie Ihre Patient:innen aktiv über DiGAs informieren, wenn entsprechende Lösungen im Bereich mental health ins BfArM-Verzeichnis aufgenommen werden?
Ich würde mir zunächst die Angebote im BfArM-Verzeichnis anschauen und genau prüfen müssen, ob eine App evtl. bei einzelnen Patient*innen sinnvoll und hilfreich sein könnte. Wenn ich ein Angebot tatsächlich als hilfreich einschätzen würde, würde ich es natürlich meinen Patient:innen empfehlen. Aber: wie oben beschrieben, sind meine Bedenken sehr stark, auch besonders bezügl. des Datenschutzes. Auch darüber würde ich mit meinen Patient*innen selbstverständlich sprechen.

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In dieser Reihe ebenfalls erschienen sind:
Prof. Dr. Emrah Düzel, Direktor des Instituts für Kognitive Neurologie und Demenzforschung

Dr. Sabine Maur, niedergelassen Psychotherapeutin und Kammerpräsidentin Rheinland-Pfalz

Der Dermatologe Max Tischler, Sprecher Bündnis Junge Ärzte Junge Dermatologen (JuDerm) im Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVDD) bzw. Stv. Vorsitzender Arbeitskreis Junge Ärzte der Ärztekammer Westfalen-Lippe.

Dr. Johannes Knitza, Rheumatologie, Universitätsklinikum Erlangen

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