DVG Fast Track / DiGA, Smart Praxis, Gesundheit 2025

DiGA-Interview-Reihe > Teil 4: Max Tischler, Dermatologe, Sprecher Bündnis Junge Ärzte

Unsere Diskutanten zeigen sich kritisch, aber auch verhalten optimistisch, teils sogar mit eigenen (DiGA)-Ideen. Der DiGA wird als Ergänzung zu herkömmlichen Therapien eine Chance eingeräumt, wenn die Fragezeichen ausgeräumt sind.

von hih

Wie erfuhren Sie erstmals von der neuen Möglichkeit, Digitale Gesundheitsanwendungen verschreiben zu können?
Da legen Sie den Finger gleich in die richtige Wunde: zu großen Teilen nicht aus den klassischen ärztlichen Medien, die ich aufgrund meines Berufsstandes lese. Ich bin durch die “App auf Rezept”-Äußerung von Jens Spahn und seine Ankündigung des DVG in Publikumsmedien darauf aufmerksam geworden und habe dann Monate später vom DiGA-Leitfaden-Launch auf Twitter erfahren. Daraufhin nahm ich am hih-DiGA Summit teil, vermutlich als einer der wenigen praktisch tätigen Ärzte. Ich vermute, bzw. befürchte, dass ein Großteil der Ärzteschaft diese neue Möglichkeiten bisher kaum wahrnimmt.

Fühlen Sie sich zum jetzigen Zeitpunkt ausreichend (durch wen?) informiert, dies auch in Ihrer Praxis anwenden zu können?
Nein, bei weitem nicht. Wie gesagt, habe ich aus den klassischen Ärzte-Medien kaum etwas erfahren – und ich halte das Thema noch überhaupt nicht ausreichend platziert. Wir => SVDGV + Hartmannbund + Bündnis Junge Ärzte haben jetzt auf Eigeninitiative Fortbildungsangebote für Ärzte angestoßen und wollen die gerne fortführen (siehe www.hartmannbund.de/Seminartermine). Ähnlich wie der hih und das BMG das bisher für – leider – zumeist die Hersteller durchgeführt haben.
Aber in der Tat hatte ich auch noch keinen Patienten, der danach gefragt hat – auch wenn bspw. die BITKOM 2020 Umfrage das voraussagt.
Dahingegen ist der Verschreibungsprozess (Muster 16) m.E. geklärt. Was noch fehlt, ist die Vergütung für die „Beratung“ zu DIGAs (dies wird Zeit in Anspruch nehmen!) und die „ärztliche Leistung“ im Rahmen der DIGAs ist (meines Wissens) ebenfalls noch nicht ausreichend geklärt.
Hier haben die Jungen Ärzte einen Vorschlag: MVP wäre die extrabudgetäre Vergütung von Leistungen im Kontext mit DIGA im ersten Jahr der Pat-Verschreibung.

Welche Vorstellungen der praxis-internen Prozesse haben Sie sich diesbezüglich gemacht? Wo sehen Sie noch Probleme?
Wie gerade erwähnt, ist es nicht der Verschreibungsprozess, der unklar ist, sondern eher das gesamte Prozedere über Dauer der Verschreibung, Verfügbarkeit, Infos über das App-Angebot, Hersteller, etc.
Darüber hinaus ist der Fortbildungsbedarf derzeit nicht abgedeckt, der sicherlich viele Fragen klären würde über bspw. Evaluation, Aufwand, Feedback, mögliche Qualitätssiegel “Digitaler Arzt”, Datenschutz und Beratungen im Allgemeinen.

Welche Bedenken, und auch welche Chancen sehen Sie in diesen Möglichkeiten für Ihre Patient:innen und sich selbst als Arzt?
Da würde ich gerne mit den Chancen starten, die ich wirklich auch für uns Ärzte durch die Möglichkeit der kontinuierlichen Beratung und Motivation sehe. Auch die Triagierung von Patienten ist hilfreich, die eine App womöglich bietet und die Informationen, die der Patient seinem Arzt über ein solches Tool vor dem kommenden Arztbesuch übermitteln kann.
Für die Patienten, die ich täglich sehe, kann ich über Psoriasis und Neurodermitis als große chron. Krankheiten berichten, wo oft ein Zeitmangel in der Beratung herrscht. Hier könnte der Patient deutlich besser beteiligt und informiert werden. Die Verbesserung des Wissens und des Umgangs mit einer (chron.) Erkrankung kann durch digitale Tools unterstützt werden, so das zumeist die Therapie-Compliance verbessert wird, insbesondere auch in den Lifestyle-Faktoren (Metabolisches Syndrom und Co).

Allerdings teile ich auch einige Bedenken meiner Kollegen, bspw. ob die App wirklich das Problem der (fehlenden) Arztzeit mit dem Patienten lösen kann und, ob man diesen nicht zusätzlich zu seiner Krankheit mit sowas wie einer digitalen Unterstützung nicht überfordert? Auch darf dieses “Digitale” nicht allein stehen – Struktur-, Organisations-, Prozess- und Budgetprobleme im deutschen Gesundheitswesen müssen dringend und gleichzeitig angegangen werden.
Das größte Problem sehe ich darüber hinaus in der fehlenden Anbindung an die PVS Struktur. Fragen, wie hier die Dokumentation in der Patientenakte erfolgt, ob elektronisch übergreifend oder aktuell noch lokal, sind noch gar nicht angegangen. Aktuell ist wohl die populärste Lösung: PDF wird ausgedruckt und dann beim Arzt eingescannt, das kann noch nicht der Weisheit letzter Schluss sein.

Werden Sie Ihre Patient:innen aktiv über DiGAs informieren, wenn entsprechende Lösungen in Ihrem Fachbereich ins BfArM-Verzeichnis aufgenommen werden?
Da kann ich natürlich nur für mich sprechen, der es vermutlich machen wird, wenn es aus meiner Sicht (und natürlich für mein Fachgebiet) für Patienten und mich selbst überzeugend, hilfreich und vorteilhaft ist. Das wiederum hängt vom Informationsgehalt des BfArM-Verzeichnisses und der Hersteller ab, die müssen wirklich gut aufgearbeitet und vorhanden sein.
Bei der aktuellen Vergütung über die Quartalspauschale, die aus meiner Sicht nicht ausreicht, wird es sich zeigen, ob ausreichend Zeit und Akzeptanz bei Patienten vorhanden ist. Nachher berate ich ausführlich – sagen wir 10 Patienten – und am Ende wird die App dennoch nicht genutzt oder nicht lange genug genutzt, dann werde ich nach dieser ersten „Welle“ erstmal zurückhaltender in der Beratung zu DIGA werden.
Aber derzeit bin ich noch sehr motiviert und würde die Informationen z. B. auch über unsere Homepage oder im Wartezimmer-TV möglich machen und umsetzen.

Fazit: Dringende Fortbildung und Informationsweitergabe sowie Klärung der Umsetzung auf Arztseite (Verschreibung, Wiedereinbestellung, Auswertung) erforderlich. 

In dieser Reihe ebenfalls erschienen sind:
Prof. Dr. Emrah Düzel, Direktor des Instituts für Kognitive Neurologie und Demenzforschung

Dr. Sabine Maur, niedergelassen Psychotherapeutin und Kammerpräsidentin Rheinland-Pfalz

Dr. Eva Schweitzer-Köhn, Psychotherapeutin und Mitglied im Bundesvorstand der Vertragspsychotherapeuten

Dr. Johannes Knitza, Rheumatologie, Universitätsklinikum Erlangen

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