Corona

Digitale Innovationen in Deutschland: von Corona zur ePA

Die digitale Medizin wird bleiben. Die zahlreichen kreativen, digitalen Lösungen haben viel zur Bewältigung der Corona-Krise beigetragen. Sie haben der Akzeptanz digitaler Tools in der Gesundheitsversorgung einen nachhaltigen Schub verliehen. Jörg F. Debatin; der Originaltext erschien in: “Der Radiologe” © Springer Medizin Verlag GmbH (01/2021)

von hih

Für die Radiologie ist sie ein alter Hut: die Digitalisierung. Beim klinischen Einsatz digitaler Technologien war die Radiologie Vorreiter.Während Informationssysteme in der Radiologie (RIS) wie auch im Laborbereich (LIS) bereits in den 1990er Jahren zum Standard gehörten, kam in der Ende der 1990er Jahre das PACS (Picture Archiving and Communication System) hinzu. Gekoppelte RIS/PACS-Lösungen verbreiteten sich rasch und steuern seitdem den radiologischen Workflow in zahllosen Diagnostikzentren.

Die schiere Menge an kontinuierlich wachsenden Bilddaten führte zu einer zunehmenden Überforderung konventioneller Speicherlösungen. Der Einsatz von Vendor Neutral Archives (VNA) in Kombination mit Cloud-Lösungen ist die Folge. Hinzu kommen nun zunehmend KI-Applikationen (KI: künstliche Intelligenz). Sie gewinnen bei der Bearbeitung und Rekonstruktion von Rohdaten an Bedeutung. Mit KI können CT- und MRT Untersuchungszeiten erheblich verkürzt werden. Und auch bei der Interpretation von Bilddaten selbst, z. B. in der Mammographie, der Detektion und Beurteilung von Lungenrundherden oder der Bestimmung des Knochenalters, beginnen digitale KI-Technologien, Einzug zu halten. Die hohe Dynamik der Digitalisierung in der diagnostischen Bildgebung hat in den meisten anderen Bereichen der Gesundheitsversorgung in Deutschland wenig Nachahmer gefunden.

So dominiert in der deutschen Medizin immer noch das Fax als Standardkommunikationsmedium zwischen Leistungserbringern. Bis 2018 bestand in Deutschland zudem Der vorliegende Text ist das Ergebnis der Arbeit des hih. noch das Fernbehandlungsverbot. Diese Trägheit in Sachen Digitalisierung wurde in einer Studie der Bertelsmann Stiftung aus dem Jahr 2018 eindrucksvoll dokumentiert: In einem internationalen Vergleich landete Deutschland beim Grad der Digitalisierung in der Medizin von 17 untersuchten Ländern auf Platz 16 [1]. Im Zusammenspiel zwischen einem seit 2018 spürbaren politischen Willen, mit digitalen Technologien die Gesundheitsversorgung der Bürger zu verbessern, und den Herausforderungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie hat die Digitalisierung nunmehr die gesamte deutsche Gesundheitsbranche erfasst, und das mit einer auch im internationalen Vergleich auffälligen Dynamik. Gewissermaßen über Nacht ist „digital“ zum Synonym von „innovativ“ und „systemrelevant“ geworden. Eine neuerliche Untersuchung der digitalen Wettbewerbsfähigkeit im Gesundheitssektor verortet Deutschland nunmehr knapp hinter den USA auf Rang 2.

Die Autoren sehen Deutschland als das Land der „Hidden Digital Healthcare Champions“ [2]. Die hohe Veränderungsgeschwindigkeit zeigt nicht nur, wie viel Innovations- und Forschergeist in der Gesundheitsbranche steckt, sondern auch, dass viele Lösungen bereits weit vorgedacht, teilweise sogar fertig verpackt in politisch verschlossenen Schubladen lagerten. Beeindruckend, dass mit dem Willen beteiligter Institutionen mancherorts digitale Lösungen innerhalb von wenigen Tagen in den Regelbetrieb übernommen werden konnten.

Natürlich ist es nachvollziehbar, dass Innovationen in Krisenzeiten, wie der Corona-Pandemie, viel schneller umgesetzt werden. Für die Post Corona-Zeit wird in Erinnerung bleiben, dass es nicht nur für gefährdete Patienten in vollen Wartezimmern, sondern auch für den ganz normalen Quartalsbesuch von Chronikern – neben dem bisherigen Präsenztermin – sinnvolle digitale Alternativen gibt. Diese sind sicherer, bequemer und effizienter und können dem Arzt-Patienten-Verhältnis sehr wohl zuträglich sein.

Plötzlich ging vieles, was zuvor undenkbar schien!
So wurde 2020 die Videosprechstunde binnen kürzester Zeit zu einer akzeptierten Norm – nicht als Ersatz der persönlichen Arztbesuchs, sondern als willkommene Alternative (. Abb. 1). Der Arzt kommt zum Patienten ins Wohnzimmer. Gemeinsam mit Bots und Apps ermöglicht die Online-Sprechstunde Informationsaustausch und Kommunikation ohne physisches Zusammentreffen. Ihr Einsatz senkt das Infektionsrisiko und schützt Patienten ebenso wie medizinisches Personal – außerdem ist es für Arzt wie auch Patient ausgesprochen bequem und senkt damit die Interaktionsschwelle.

Betreiber von Telemedizinplattformen berichten über Wachstumsraten von bis zu 1000 %. Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der GKV Spitzenverband haben für das Jahr 2020 die Begrenzungsregelungen für Videosprechstunden aufgehoben – für 2021 und danach wurden sie von 20% auf 30% des Praxisumsatzes angehoben [3].

Die positiven Erfahrungen mit der Telemedizin werden nun auch auf andere Leistungserbringer übertragen, wie Logopäden oder auch Physiotherapeuten. Digitale Physiotherapieanwendungen wie Kaia oder Terminplattformen wie Physioflix, Samedi oder Doctolib verzeichnen Rekordnachfragen. Hinzu kommen zahllose digitale Beratungs und Informationsportale, die von großen wie auch kleinen Unternehmen häufig sogar kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Diese positiven Erfahrungen haben zu einer Bewusstseinsveränderung geführt und damit die Akzeptanz von Digital-Health-Lösungen bei Ärzten und Patienten erheblich gestärkt.

Teamspirit und Wettbewerb generieren digitalen Nutzen
Bereits wenige Wochen nach der ersten Corona-Infektionswelle stieg die Zahl verfügbarer Corona-spezifischer Unterstützungstools. Sehr früh entwickelte das Leipziger Start-up DocYet einen ChatBot, der jedem Menschen anhand seiner persönlichen Umstände Handlungsempfehlungen gibt. Der Bot, der sich an den Richtlinien des Robert Koch-Instituts orientierte, war schnell auf den Internetseiten zahlreicher Krankenkassen, aber auch auf populäreren Webseiten, wie der des Digitalratgebers der Apothekenumschau abrufbar.

Ausgesprochen erfolgreich war auch die Entwicklung einer App, die beruhend auf Daten von Fitnesstrackern und -armbändern, binnen kürzester Zeit in Form einer Epidemie-Heatmap bei der Vorhersage der Infektionsentwicklung eingesetzt wurde. Teilnehmer spendeten freiwillig und natürlich anonym ihre Puls- und Aktivitätsdaten. Anhand dieser Ruhepuls- und Aktivitätsdaten, verbunden mit der Postleitzahl, konnten neue Erkrankungen dokumentiert und in Modellen auf die regionale Bevölkerung hochgerechnet werden. Da über 500.000 Bürger ihre Fitnessdaten regelmäßig zur Verfügung stellten, wurden zielgenauere Gegenmaßnahmen und eine intelligente Ressourcensteuerung ermöglicht.

Die digitale Medizin wird bleiben
Die zahlreichen sehr konkreten und kreativen, digitalen Lösungen haben viel zur Bewältigung der Corona-Krise beigetragen. Sie haben der Akzeptanz digitaler Tools in der Gesundheitsversorgung einen nachhaltigen Schub verliehen, haben Brücken zwischen den Institutionen und Versorgungsebenen gebaut und vielen Personen tatsächlich die Angst vor dem „Digitalen“ genommen. Entsprechend werden diese Erfahrungen die Medizin und vor allem auch die Gesundheitsversorgung der Menschen grundlegend verändern.

Egal, ob psychotherapeutische Sitzungen, AU-Rezepte, Ressourcenplanung oder gar telemedizinische Intensivmedizin sowie die Behandlung chronischer Erkrankungen: Im Jahr 2020 ist die Digitalisierung als ausgesprochen potente Technologie ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Diese Dynamik auf die Corona Pandemie zu beschränken, wird den Innovatoren, der Solidarität und dem gesellschaftlichen Engagement nicht gerecht – und würde die Grundelemente des zeitgemäßen Transformationsdrucks ignorieren. Der derzeitige Veränderungsschub fußte vorher bereits auf drei bleibenden zentralen Treibern, die sich gegenseitig bedingen und untereinander verstärken.

Drei Treiber der digitalen Transformation

Technologie
Cloud-Computing hat eine neue Grundlage für die Nutzung digitaler Technologien geschaffen. Für Anwender auf der ganzen Welt sind beinahe unbegrenzte Rechenleistung und unbegrenzte Speicherkapazitäten verfügbar geworden. Hinzu kommt der fast ubiquitäre Zugang zu Daten in der Cloud über mobile Endgeräte. Damit ist jeder Einzelne in der Lage, diese Technologien für sich und andere zu nutzen. Für die Dokumentation und Speicherung medizinischer Daten ermöglicht diese technologische Innovation einen fundamentalen Paradigmenwechsel: Hatten medizinische Daten bislang immer einen direkten Bezug zu ihrem Entstehungsort (an dem sie gespeichert wurden), können diese Daten nun zentral, unabhängig von ihrem Entstehungsort, patientenspezifisch gespeichert und verarbeitet werden.
Nicht mehr der Ort der Datenakquisition ist ausschlaggebend, sondern der jeweilige Patient, von dem die Daten stammen. Über mobile Endgeräte ist zudem jedes (berechtigte) Individuum in der Lage, diese Daten abzurufen, zu analysieren und weiterzuverarbeiten. Die Cloud-basierte Explosion von Computing Power mit schier unbegrenzten Datenspeicherkapazitäten, gepaart mit ubiquitärem, dezentralem und mobilem Datenzugang sind die technologischen Treiber der sich beschleunigenden digitalen Revolution in der Medizin.

Biologie
99,5 % des genetischen Codes (DNA) zwischen zwei Menschen ist identisch. Obgleich schwer vorstellbar, gilt das selbst für die Paarung Donald Trump und Kim Jong-Un – oder vielleicht ist es gerade bei diesen beiden gut vorstellbar. Diese Erkenntnis stellt bis heute die Grundlage für Zulassungen von Medikamenten und die Verabschiedung von Behandlungsleitlinien dar. Die Medizin ist standardisiert – optimale Resultate erreicht man nur dann, wenn alle in gleicher Weise behandelt werden, so die bisherige Logik. Indem die DNA immer schneller und kostengünstiger entschlüsselt werden kann, rücken die differenzierenden 0,5 % des genetischen Codes in den Fokus. Diese 0,5% unterschiedliche DNA umfasst bis zu 3 Mio. Basenpaare in jeder Zelle. In Anbetracht von 3 Mio. Differenzierungskriterien erscheint es recht unwahrscheinlich, dass zwei Menschen auf eine komplexe medikamentöse Therapie in vollkommen identischer Weise reagieren. Hinzu kommen Mutationen der Zellen, in denen sich der genetische Code gänzlich verändert, sowie Umwelteinflüsse, die zu erheblichen Unterschieden in der Epigenetik führen.
Indem die biologischen Grundlagen menschlichen Lebens entschlüsselt werden, werden die Unterschiede auch für die medizinische Diagnostik und Therapie zunehmend relevant. Inzwischen ist klar: Die Einzigartigkeit des menschlichen Organismus sowie der dazugehörigen Erkrankungen bedürfen individualisierter Therapien. Diese Erkenntnis ist die Basis der sogenannten personalisierten Medizin. Die vielen Millionen differenzierender Einflussgrößen überfordern in ihrer Anzahl und Komplexität das menschliche Gehirn und damit auch jeden Arzt. Es bedarf der umfassenden Unterstützung in Computing und Datenspeicherung, um für jeden Einzelnen das persönliche Therapieoptimum zu finden. Eine personalisierte, auf den individuellen Menschen mit seinen Erkrankungen abgestimmte Therapie kann ohne digitale Unterstützung nicht realisiert werden.

Gesellschaft
Angst und Sorge vor Krankheit und Tod haben das Thema Gesundheit über Jahrhunderte mystifiziert. Patienten begaben sich in Behandlung, oftmals im blinden Vertrauen auf ihre Ärzte. Durch den Einsatz einer eigenen Sprache trugen die Mediziner nachhaltig zur Mystifizierung der eigenen Heilkunst bei. Transparenz wurde von den Patienten nicht gefordert und war von den Ärzten nicht gewollt. Der mündige Patient ist ein eher neues Phänomen – ein Phänomen, das sich allerdings rasch weiterentwickelt. Diesbezüglich hat die Corona-Pandemie wahrscheinlich die größten Veränderungen hervorgerufen. Das Informationsmonopol der Ärzte ist durch Apps, Bots und andere Tools aufgehoben worden. Patienten waren gezwungen, sich besser zu informieren – zu ihrem eigenen Schutz. Gleichzeitig erleben die Menschen die Vorzüge der Digitalisierung im Alltag.
Direkte Kommunikation mit dem Arzt, ohne die eigene Wohnung zu verlassen, die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, das digital erneuerbare Rezept – auf diese in der Pandemie erlebten digitalen Versorgungsangebote wollen viele Menschen auch nach der Krise nicht verzichten. So wird die digitale Terminvergabe beim Arzt ebenso zum Standard wie Online-Banking oder andere Alltagshandlungen. Die Menschen werden im Umgang mit dem Gut Gesundheit souveräner und anspruchsvoller. Um am Markt zu bestehen, werden sich die medizinischen Leistungserbringer auf noch mehr digitale Bequemlichkeit und Transparenz einstellen müssen – und dies zunehmend online.

Die Medizin verändert sich
Diese drei Treiber werden die Medizin in den kommenden Jahren dank digitaler Optionen grundlegend verändern. Natürlich bedürfen diese Entwicklungen umfassender regulatorischer Anpassungen. Dabei geht es um eine Balance zwischen medizinischem Nutzen auf der einen sowie Datensicherheit und Schutz der Privatsphäre auf der anderen Seite. Doch wie andere Technologien, derer sich die Medizin bedient, ist auch die Digitalisierung lediglich Mittel zum Zweck – nämlich die technische Grundlage für eine bessere Gesundheitsversorgung der Menschen durch ein Mehr an Qualität und Effizienz in der Medizin. Ohne das enorme Potenzial der personalisierten Medizin in Bezug auf eine qualitativ bessere Versorgung, und ohne das Verlangen der Menschen nach Transparenz, Effizienz und Bequemlichkeit wären digitale Technologien reiner Selbstzweck. Der Nutzen für die Menschen prägt den von Nathalie Weidenfeld und Julian Nida-Rümelin beschriebenen „digitalen Humanismus“, bei dem weiterhin der Mensch und nicht die Technologie im Mittelpunkt steht.

Die Puzzleteile rund um die digitale Medizin fügen sich
Deutschland ist spät gestartet, doch an Geschwindigkeit auf dem Weg zu einer digital unterstützten Medizin mangelt es im Augenblick nicht. Neben der Corona Pandemie, die sicherlich als ein zentraler Treiber der Digitalisierung in der Gesundheitsversorgung gesehen werden muss, haben sich viele Puzzleteile ineinandergefügt. Da ist zum einen ein Bundesgesundheitsminister, der vom Mehrwert der Digitalisierung überzeugt ist. Gleichzeitig ist er bereit, mit klaren Entscheidungen diese auch in die Regelversorgung zu bringen. So wurde Deutschland am 06.10.2020 weltweit das erste Land, in dem zugelassene Digitale Gesundheitsanwendungen (Apps) in der Regelversorgung vom Arzt indikationsbezogen verschrieben werden konnten.

Der Zuspruch, den diese Initiativen aus der Gesundheitsbranche erfahren, spiegelt den weit verbreiteten Willen, die mit digitalen Technologien verbundenen Potenziale auch in Deutschland zu fördern. Es geht darum, die digitale Transformation im Interesse einer besseren Gesundheitsversorgung zu gestalten, ohne dabei grundlegende Werte wie Solidarität, Selbstbestimmung oder die freie Arzt-, Krankenhaus- oder Krankenkassenwahl zu opfern. Nur mit digitalen Technologien kann den berechtigten Ansprüchen informierter Patienten auf Sicherheit und Transparenz in Kombination mit einer für den Einzelnen optimierten, also personalisierten Medizin, Rechnung getragen werden.

Die elektronische Patientenakte (ePA): Grundlage für digitale Medizin
Basis der digitalen Revolution in der Medizin wird die nationale elektronische Patientenakte (ePA), die zum 01.01.2021 von allen gesetzlichen Versicherungen (GKV) ihren Patienten angeboten wird (. Abb. 2). Während die GKVen die technische Infrastruktur stellen, muss die Akte auf Wunsch der Patienten von einem Arzt angelegt werden. Das wird seit dem 01.01.2021 in zwei KV-Bezirken großflächig getestet. Bei dem Test geht es neben einer Überprüfung der Datensicherheit auch um die Sicherstellung der Interoperabilität, sodass Informationen in ubiquitär verständlicher Weise zusammengeführt werden können. In der dritten Phase der Einführung wird zum 01.07.2021 jeder Arzt auf Wunsch seines Patienten eine ePA anlegen können. Die ePA ist so angelegt, dass dort alle medizinisch relevanten Informationen gespeichert werden. Das geht nur graduell. In strukturierter Form können Impfpass, Schwangerschaftspass, frühkindliche Untersuchungen und zahnärztliches Bonusheft abgespeichert werden.

Darüber hinaus können alle als relevant empfundene Dokumente vom Arzt oder auch vom Patienten in PDF-Format in die Akte eingestellt werden. Geplant ist die Einführung einer „Patienten-Kurzakte“ die, ähnlich aufgebaut wie der Notfalldatensatz, eine Übersicht über den Patienten vermitteln kann. Darin enthalten sind sämtliche bestehende Diagnosen, aktuelle Medikation, bestehende Allergien und sonstige Besonderheiten eines Patienten. Dieses Dokument wird jeden Erstkontakt eines Arztes oder Pflegenden mit einem neuen Patienten, egal ob ambulant oder stationär, erheblich vereinfachen.

Ganz wichtig wird sicherlich auch der ärztliche Entlassungsbrief nach einem stationären Krankenhausaufenthalt – am Tag der Entlassung. Damit würden die derzeit noch bestehenden Informationsdefizite bei der Überwindung der Sektorengrenzen vom Krankenhaus zum Hausarzt oder zur Reha drastisch reduziert. Schließlich werden weitere strukturierte Daten folgen: z. B. aggregierte Laborwerte, die unabhängig vom Anforderer und durchführenden Labor auf einem Zeitstrahl aufgetragen sind. Gerade bei chronischen Erkrankungen könnten Therapien so viel zielsicherer angepasst werden.

Auch Radiologiebefunde und Bilddaten wird die ePA enthalten. Aufgrund limitierter Speicherkapazitäten werden die Bilddaten zumindest am Anfang auf Einzelaufnahmen beschränkt bleiben. Eine Doppelspeicherung riesiger Bilddaten in ePA und am Ort der Datenakquisition in Form eines PACS scheint wenig zweckmäßig. Daher kreisen die Überlegungen um die Einführung von sog. Index-Speichersystemen. Dabei wird auf der ePA in Form eines Index die Information des Speicherortes (PACS) abgelegt. Original Bilddaten würden dann über eine direkte Abfrage bei dem speichernden PACS aktiviert.

Nutzen der ePA
Der Nutzen einer ePA ist für jeden Bürger evident. Untersuchungsergebnisse gehen unabhängig vom Entstehungsort nicht mehr verloren. Die medizinische Versorgung wird einfacher und bequemer. Aber auch den Behandelnden bringt die ePA erkennbaren Nutzen. Sie macht die Arzt-Patienten-Interaktionen sicherer, effizienter und bequemer. Da die Daten der Haus- und Fachärzte, Krankenhäuser und Reha-Einrichtungen sowie der Versicherten selbst in die Akte einfließen, sind erstmals longitudinale Betrachtungen möglich – und das über die bestehenden Sektorengrenzen hinweg. Dies allein ist schon ein riesiger Fortschritt, der die Qualität der medizinischen Versorgung erheblich verbessern wird. Darüber hinaus eröffnen sich mit der ePA eine Vielzahl weiterer Vorteile, wie Arzneimitteltherapiesicherheit oder eine sichere digitale Arzt-Patienten Kommunikation, wobei Medikamente elektronisch verschrieben oder AU-Bescheinigungen online ausgestellt werden können.

Fazit
Die Digitalisierung der Gesundheitsversorgunggelingt nur, wenn sich ihr Nutzen unmittelbar für Patienten und Leistungserbringer offenbart, sie prozessunterstützend wahrgenommen wird und einen tatsächlichen Mehrwert generiert. Richtig eingesetzt führen digitale Technologien zu mehr Sicherheit und Transparenz in Kombination mit einerfür den Einzelnen optimierten, also personalisierten Medizin. Die Umsetzung als Gemeinschafsaufgabe zu verstehen, ist die große Aufgabe unserer Zeit.

 

Literatur
1. Bertelsmann Stiftung (2018) Smart Health Systems: Digitalisierungsstrategien im
internationalen Vergleich Bd. 11. Bertelsmann Stiftung,
Gütersloh
2. Hofrichter B (2020) Germany Report, ConCeplus;
HealthcareMovers12/2020
3. Digitales Versorgung Pflege Management Gesetz (DVPMG)

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