ePatient, Gesundheit 2025

Digitalisierung muss bei den Patient:innen beginnen

Prof. Dr. med. Claudia Schmidtke ist in der aktuellen Legislaturperiode Beauftragte der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten. Wir sprachen u.a. mit Ihr zum morgigen Tag der Patientensicherheit und, welche Rolle die Digitalisierung in Hinblick auf Behandlungsqualität und Sicherheit spielen sollte.

von hih

Die Patientensicherheit stand und steht im Mittelpunkt ihres Handelns – nicht nur als Chirurgin, auch als Beauftragte der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten – worauf sind Sie stolz, wenn Sie auf die zu Ende gehende Legislaturperiode zurückblicken?
In den vergangenen Jahren habe ich mich mit Nachdruck für die Verbesserung der Patientensicherheit und auch der Patientenorientierung eingesetzt, weil ich das als wesentlichen Teil meiner Aufgabe als Patientenbeauftragte verstehe. Ich bin daher froh, dass wir zahlreiche Änderungen ganz konkret umsetzen konnten. Ich denke hier zum Beispiel an die Verbesserungen der Inanspruchnahme von Leistungen im Notlagentarif der privaten Krankenversicherung oder die Verschärfungen der Regelungen zum Nachweis einer ausreichenden  Berufshaftpflichtversicherung der Vertragsärzte. Ich freue mich zudem, dass es in dieser Legislaturperiode nach langen Diskussionen doch noch gelungen ist, die Weichen für eine institutionelle Neuausrichtung der Unabhängigen Patienten- und Verbraucherberatung im Rahmen einer Stiftungslösung ab dem Jahr 2024 zu stellen.

Darüber hinaus konnten andere wichtige Maßnahmen angestoßen werden. Ein Beispiel ist die sehr gelungene Kampagne #DeutschlandErkenntSepsis des Aktionsbündnisses Patientensicherheit und seiner Partner, deren Schirmherrin ich bin und die das wichtige Ziel verfolgt, über die Gefahren einer Sepsis aufzuklären. Als Herzmedizinerin blicke ich zudem mit Stolz auf die Vorarbeiten für eine Nationale Herz-Kreislauf-Strategie, die ich mit einem von mir ins Leben gerufenen Expertengremium erarbeitet habe. Erklärtes Ziel ist es, die Vermeidung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen dem Kampf gegen Krebs oder Demenz gleichzustellen. Flankiert wird dies durch die Kampagne „Beherzt Handeln“ der Deutschen Herzstiftung als größte Patientenorganisation, die mit allen betreffenden Fachgesellschaften ein starkes Aktionsbündnis geschaffen hat.

Welche Rolle spielt oder sollte die Digitalisierung in Bezug auf Patientensicherheit spielen – wo sehen Sie noch Entwicklungsbedarf?
Die Digitalisierung kann einen ganz entscheidenden Beitrag dazu leisten, auf verschiedenen Ebenen der ambulanten und stationären Behandlungspfade die Patientensicherheit weiter zu verbessern. Viele Krankenhäuser setzen zum Beispiel schon jetzt moderne digitale Lösungen zur Risikoreduktion ein: Elektronische Patientenakten, Barcode-Armbänder für Patienten und digital unterstützte Medikationsprozesse tragen dazu bei, potentielle Fehlerquellen auszuschließen und bisher analoge, sich wiederholende, aber risikobehaftete Tätigkeiten zu ersetzen, indem etwa die Bestellung von Medikamenten in der Apotheke digital und automatisch erfolgt.

Entwicklungsbedarf besteht meines Erachtens insbesondere dahingehend, Patient:innen noch frühzeitiger in den Digitalisierungsprozess einzubinden, um die Anwendung digitaler Angebote an ihren Präferenzen auszurichten und so selbsterklärend und niedrigschwellig wie möglich zu gestalten. Denn niemand kennt die Bedürfnisse der Patient:innen so gut wie sie selbst. Nur wenn die Digitalisierung von Beginn an mit den Patient:innen statt an ihnen vorbei betrieben wird, kann sichergestellt werden, dass digitale Angebote akzeptiert und genutzt werden.

Wer wird dafür der Treiber sein, um dies voranzubringen?
Für einen ernsthaften Kulturwandel müssen im besten Fall alle Akteure des Gesundheitswesens digitale Treiber sein und zwar getragen von der Überzeugung, dass es das Ziel der Digitalisierung ist, die medizinische Versorgung für die Patient:innen leistungsfähiger und sicherer zu gestalten.

Wichtig ist dabei, die einzelnen Akteure untereinander zu vernetzen, um gemeinsam mit den Patient:innen die digitalen Lösungen im Versorgungsalltag zu entwickeln. Veranstaltungen, wie der Healthcare Hackathon oder die Digital Medicine Week des health innovation hub haben in der Vergangenheit eindrucksvoll gezeigt, welche Kreativität und welcher Mehrwert von patientenorientierten interdisziplinären Ansätzen ausgehen kann und wie wertvoll die Patientenrückmeldungen für deren Weiterentwicklung sind. Was möglich ist, wenn alle an einem Strang ziehen, haben wir bei der erfolgreichen Entwicklung der Corona-Warn-App und des digitalen Impfnachweises beispielhaft erleben können.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft für den Umgang mit Patientendaten?
Umfragen zeigen deutlich, dass die überwiegende Mehrheit der Deutschen bereit wäre, ihre Gesundheitsdaten – anonym und unentgeltlich – digital für die medizinische Forschung zur Verfügung zu stellen. Dazu ist es aber erforderlich, verlässliche Rahmenbedingungen zu setzen, um Datenschutz und Datensicherheit bestmöglich zu gewährleisten und gleichzeitig Möglichkeiten zu schaffen, die enormen Potentiale der Digitalisierung und vernetzter Gesundheitsdaten zu nutzen.

Das ist ohne Frage ein Spannungsverhältnis, in dem in der Vergangenheit meines Erachtens die Anforderungen an den Datenschutz zu oft komplizierter ausgestaltet wurden, als es sinnvoll und erforderlich gewesen wäre. Für die Zukunft wünsche ich mir, dass sich hier mit geeigneten Datenschutz- und Datensicherheitsstandards ein Gleichgewicht einstellt, das es den Menschen niedrigschwellig ermöglicht, ihre Gesundheitsdaten zu teilen und für eine bessere Gesundheitsversorgung in allen Bereichen zur Verfügung zu stellen– von Forschung über Prävention, Diagnostik und Therapie bis zur Rehabilitation.

Welche Rolle spielt in diesem Szenario die elektronische Patientenakte?
Die elektronische Patientenakte (ePA) ist als zentrale Plattform das Herz einer vernetzten Gesundheitsversorgung. Mit der ePA stehen den Versicherten nicht nur erstmals alle ihre Gesundheitsdaten gebündelt zur Verfügung, sie können vor allem auf die relevanten Informationen zu Vorerkrankungen, Diagnosen, eingenommenen Medikamenten oder Allergien selbst schnell zugreifen und diese mit Ärzt:innen teilen oder zukünftig die Forschung mit einer freiwilligen Datenspende zu unterstützen. Damit entsteht sektorenübergreifend ein besserer Gesamtüberblick über die Krankenakte eines einzelnen Patienten. Das erleichtert Entscheidungen, vereinfacht Arbeitsabläufe und trägt zu einer effizienten und sicheren Patientenversorgung bei.

Welche Themen rund um Patientenbelange und -sicherheit sehen Sie für die kommende
Legislaturperiode?
Aus Patientensicht sollte die Verbesserung der Patientenrechte ein Thema der nächsten Legislaturperiode sein. Acht Jahre nach Inkrafttreten des Patientenrechtegesetzes ist es Zeit für eine Weiterentwicklung. Unter anderem beim Umgang mit Behandlungsfehlern zeigt sich, dass Nachsteuerungsbedarf besteht, um Patient:innen bei der Durchsetzung ihrer Rechte beim Verdacht auf einen Behandlungsfehler stärker zu unterstützen.

Darüber hinaus sollten die Messung und insbesondere die kontinuierliche Steigerung  der Ergebnisqualität in der ambulanten und stationären Versorgung sowie die Stärkung der Transparenz über die Leistungen im Gesundheitswesen ein Schwerpunkt der kommenden Jahre werden. Zumindest für den Bereich der Krankenkassen und deren Leistungsgeschehen konnte – auch durch meine Initiative – schon einiges erreicht werden: Nach einigen Betriebs- und Innungskrankenkassen veröffentlichen mittlerweile alle Allgemeinen Ortskrankenkassen, die BARMER und die Techniker Krankenkasse – und damit die beiden größten deutschen Krankenkassen – regelmäßig in Transparenzberichten über ihr Leistungsgeschehen. Mit über 51 Millionen Versicherten stehen damit jetzt rund 70 Prozent aller gesetzlich Versicherten transparente Informationen ihrer Krankenkassen zur Verfügung. Ziel ist es, dass alle Krankenkassen entsprechende Daten veröffentlichen, denn diese Informationen schaffen für die Versicherten einen konkreten Mehrwert.

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