Gesundheit 2025

„Echtzeitinformationen zu freien Intensivbetten“

Ein Greifswalder Team unter Leitung von Melanie Reuter-Oppermann, Philipp Kurtz und Tobias Gebhardt will eine Lösung zur Echtzeitabfrage von Bettenkapazitäten entwickeln. Ermutigt sieht sich das Team jetzt durch das Krankenhauszukunftsgesetz.

von hih

Das Notfall-Szenario ereignete sich vor zehn Jahren, als ein Sandsturm am 8. April 2011 die A19 bei Rostock lahmlegte und es zu einem Massenunfall mit 130 Verletzten und acht Toten kam. Was damals fehlte, waren Echtzeitdaten über freie Intensivbetten in den naheliegenden Kliniken.

Was hat Euch zu diesem Projekt bewegt?
Die Verfügbarkeit von (Intensiv-)Betten spielt im deutschen Gesundheitssystem eine große Rolle, sowohl bei der Planung elektiver Eingriffe als auch vor allem in der Notfallversorgung. Bei Großschadensereignissen, wie zum Beispiel dem Massenunfall auf der A19 (2011), ausgelöst durch einen Sandsturm, oder der Amokfahrt in Trier (2020), werden ad-hoc die Echtzeitinformation zu freien Intensivbetten in den umliegenden Krankenhäusern benötigt. Seit Beginn der Corona-Pandemie wird die Verfügbarkeit der Intensivbetten auch in den Medien diskutiert und als Kennzahl für die Notwendigkeit von Maßnahmen verwendet. Damit wurde verstärkt die Wichtigkeit der Transparenz von freien Intensivbetten aufgezeigt.

In sehr vielen Einsätzen fährt der Rettungsdienst die Patient:innen zur Weiterbehandlung in ein Krankenhaus, wobei häufig mehrere zur Auswahl stehen. Wichtiger Bestandteil der Wahl ist die aktuelle Verfügbarkeit der benötigten Betten. Um diese zu bestimmen ist häufig ein hoher Kommunikationsaufwand notwendig. Die benötigte Aktualität der Verfügbarkeit ist in der Regel nicht gegeben und die Abfrage bspw. durch den Rettungsdienst ist häufig durch manuelle und ineffiziente Prozesse gekennzeichnet. Aber auch innerhalb des Krankenhauses könnte zum Beispiel in der Zentralen Notaufnahme die Bettenverfügbarkeit in Echtzeit die Zuordnung von Patienten zu Stationen bzw. Stationszimmern deutlich erleichtern. Hierfür möchten wir eine Lösung entwickeln, die allen Beteiligten die jeweils relevanten Informationen zur Bettenverfügbarkeit in Echtzeit bereitstellt.

Wie soll die Lösung aussehen?
In unserem interdisziplinären Team bringen wir die Expertisen aller drei Mitglieder zusammen und bauen auf ersten Ideen und Vorarbeiten auf. So wurde zum Beispiel auf dem Healthcare Hackathon 2019 die Idee des Notfall-Navigators entwickelt. Eine erste wissenschaftliche Veröffentlichung dient als eine Grundlage für unsere Lösung. Der Rettungsdienst soll eine App bzw. Software-Oberfläche erhalten, um seinen Bedarf an Bettenkapazität sowie medizinischer Versorgung benutzerfreundlich zu erfassen und zu übermitteln. Diese Daten erreichen einerseits die Leitstelle und andererseits werden die Kliniken in Echtzeit zur Aufnahme der Patienten angefragt. Auch krankenhausintern, zum Beispiel in der Zentralen Notaufnahme, kann auf die Echtzeitinformationen der Bettenverfügbarkeit zugegriffen werden. Idealerweise erfolgt der Zugriff durch Krankenhaus- oder Rettungsdienstpersonal mit Hilfe einer integrierten Lösung, die auch alltäglich von Einsatzkräften für die Kommunikation (z. B. per Chat) genutzt werden kann. Hier können wir auf der sicheren Messaging-Lösung von Famedly aufbauen.

Die aktuelle Bettenkapazität wird über einen optischen Sensor über jedem Bett ermittelt, der von der GWA Hygiene GmbH entwickelt wird. Zusätzlich sieht unsere Lösung eine KI-basierte Komponente vor, die auf Basis von Verfahren des Maschinellen Lernens Vorhersagen zu Bettenbedarfen mit Verfahren der mathematischen Optimierung für eine verbesserte Bettenplanung in einem Krankenhaus kombiniert. Die Datenspeicherung soll im Krankenhausinformationssystem erfolgen, wofür es allerdings entsprechende Schnittstellen bedarf.

Welche politischen Chancen seht Ihr für diesen Ansatz?
Das Krankenhauszukunftsgesetz §19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 fordert ein digitales Versorgungsnachweissystem für Betten. Dort ist die Rede von einem „Bettennachweis in Echtzeit […] zur Zusammenarbeit von Krankenhäusern, Rettungsdienst und Leitstellen […] insbesondere in Notfällen.“ Mit unserer Lösung wollen wir Krankenhäuser hierbei und somit auf ihrem Weg der Digitalisierung unterstützen und auch die Vernetzung der Beteiligten in der Notfallversorgung stärken. Sowohl Krankenhäuser als auch Leitstellen und Rettungsdienste haben uns die Dringlichkeit des Problems und vor allem den Mehrwert unserer Lösung bestätigt.

 

Das Gespräch führte Daniel Dettling

 

Das Team

Dr. Melanie Reuter-Oppermann
Postdoc TU Darmstadt

Dr. Phillipp Kurtz
Geschäftsführer Famedly

Tobias Gebhardt
Geschäftsführer GWA Hygiene

 

 

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