Setzt das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) Gesundheits-Apps auf die Überholspur? Es könnte so kommen. Über ein neues „Fast-Track“-Verfahren können, wenn das DVG beschlossen wird, ab 2020 so genannte Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) nach kurzer Prüfung Patienten auf
Kassenkosten von Ärzten verordnet werden.
Die DiGA richten sich primär an Versicherte, die mit ihrem Arzt in der ambulanten Versorgung
und im Entlassmanagement die Prävention und Behandlung ihrer Krankheit mit modernen
Mitteln unterstützen möchten. Von der postoperativen Wundversorgung über digitales Asthma-Monitoring bis zum Ernährungstagebuch für Diabetiker sind den Möglichkeiten für potenzielle neue Anwendungen per Browser oder App kaum Grenzen gesetzt.
Workshop für Investoren
In einem Workshop für Investoren des health innovation hub (hih) des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) wurde das Fast-Track-Verfahren vorgestellt. Die gemeinsame Plattform für alle DiGA soll die E-Patientenakte (ePA) werden, sobald es sie gibt. Das DVG sieht bislang vor, dass die Anwendungen über Browser, Handy und Datenträger für Versicherte zugänglich sein sollen. Apps, die man über Playstore und Appstore herunterlädt, sollen die Ausnahme bleiben, da sonst Apple und Google einen Anspruch auf Nutzungsdaten und Einnahmen erheben könnten.
Eine Möglichkeit, diese Problematik zu umgehen, sieht Dr. Henrik Matthies, Managing
Director des hih, in DiGA, die „angedockt sind an Krankenkassen-Apps, in denen verschiedene Bereiche und Features durch Codes freigeschaltet werden, die der Patient vom Arzt bekommt“.
Fast Track nur auf Antrag
Außerdem sehen sich Hersteller und Investoren konfrontiert mit den Besonderheiten der
europäischen Rechtslage: Nur Medizinprodukte nach der neuen, ab dem 26. Mai 2020 in
Kraft tretenden Medizinprodukteverordnung (Medical Device Regulation bzw. MDR) können
laut Gesetz auf Kassenkosten verordnet werden.
Das bedeutet, dass jede neue Anwendung eine CE-Kennzeichnung tragen und in einem
Verzeichnis als Medizinprodukt der Klasse 1 oder IIa geführt werden muss. Dadurch wird
nachgewiesen, dass sie den europäischen Harmonisierungsanforderungen genügt.
Voraussetzung, um in das Fast-Track-Verfahren hineinzukommen, ist ein Antrag des
Herstellers des Medizinprodukts auf Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis. Dafür muss der
Anbieter einen Nachweis über die Erfüllung bestimmter Kriterien in Sicherheit, Qualität und
Datenschutz vorlegen.
Darüber hinaus muss der Hersteller den medizinischen Nutzen seines Produkts wissenschaftlich erbringen, um direkt aufgenommen zu werden. Hersteller, die das bereits zu Beginn des Verfahrens können, haben die Möglichkeit, direkt in das Verzeichnis aufgenommen zu werden.
DiGA kann auch temporär in Verzeichnis aufgenommen werden
Über eine Begründung ihres voraussichtlichen Nutzens kann eine DiGA jedoch auch temporär
in das Verzeichnis aufgenommen werden. Daraufhin wird sie für 12 Monate in der
Regelversorgung erprobt.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) entscheidet dann nach dem
Antrag innerhalb von drei Monaten, ob die Anwendung auf den Markt kommt.
Innerhalb der Erprobungszeit legt der Hersteller den Preis für sein Produkt selbst fest. Es wird
dazu eine Rahmenvereinbarung zwischen dem GKV-Spitzenverband und den
Herstellerverbänden geben. Vom ersten Tag der Erprobung an werden die ärztlichen
Leistungen, die im Zusammenhang mit der DiGA anfallen, extrabudgetär vergütet.
Bis dahin wird wohl noch etwas Wasser die Spree hinunter fließen. „Wenn das DVG Anfang
2020 kommt, die neue Medizinprodukterichtlinie in Kraft tritt und das BfArM alles vorbereitet
hat, dann können Anfang April theoretisch die ersten Anwendungen kommen. Realistischer ist
wohl die zweite Jahreshälfte“, glaubt Dr. Henrik Matthies vom hih.
Artikel in Gesamtlänge
Foto: LichtundFeder
Zur Magazin-Übersicht