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Innovationen müssen aus der Medizin heraus gefördert werden

Präeklampsie ist weltweit eines der größten Risiken werdender Mütter – Ursache unbekannt. Prof. Dr. med. Stefan Verlohren, Oberarzt der Klinik für Geburtsmedizin an der Charité und Medical Entrepeneur, hatte eine Idee und nun eine digitale Lösung. Ein Gespräch über Innovationen aus der Medizin heraus, die dafür notwendigen Strukturen und glückliche Zufälle.

von hih

Präeklampsie ist weltweit eines der größten Risiken werdender Mütter (und ihrer ungeborenen Kinder), Ursache unbekannt, Verlauf ungewiss. Bis zu fünf Prozent aller Schwangeren erkranken an ihr, oftmals unerkannt, nicht selten mit Todesfolge für Mutter und Kind. Verdachtsfälle bleiben zum Teil wochenlang liegend im Krankenhaus. Schlimm für die Familien, teuer für die Krankenhäuser. Prof. Dr. med. Stefan Verlohren, Oberarzt der Klinik für Geburtsmedizin an der Charité und Medical Entrepeneur, hat mithilfe des Digital Health Accelerators am Berlin Institut of Health eine Monitoring-Anwendung entwickelt, um dieses Problem für alle Beteiligten sicherer, menschlicher und kostengünstiger in den Griff zu bekommen. Gemeinsam mit einem israelischen Start-up, dass die Herztöne ungeborener Kinder monitort, könnte in Zukunft darüber hinaus nicht nur die Müttersterblichkeit gesenkt, sondern gleichzeitig die Sicherheit des Kindes relevant erhöht werden und vor allem auch die Lebensqualität der Schwangeren in dieser ohnehin dramatischen Zeit.

Sie arbeiten bereits seit Jahren an Innovationen innerhalb Ihres Fachgebiets, was bewegt sie neben ihrer ‘eigentlichen’ Tätigkeit als Oberarzt hier unternehmerisch tätig zu werden?
Ärzte sind vielleicht nicht immer Unternehmer, da gebe ich Ihnen recht, aber Ärzte sind immer auch Forscher. Wir wollen nicht nur Ursachen klären, wir wollen vor allem die Folgen für die Patienten beeinflussen. Wenn die Medizin dabei technische Unterstützung bedarf, möchte ich an dieser Stelle auch die Technik verstehen. Im Fall des Präeklampsie-Monitorings gab es diese Technik noch nicht, aber die Krankheit ist folgenschwer und wir hatten eine Idee und haben die Gelegenheit bekommen, diese zu realisieren. Dies neben meiner ärztlichen Vollzeit-Tätigkeit so zu betreiben, dass dabei in einem akzeptablen Zeitrahmen ein gutes Ergebnis entstünde, ist aberwitzig. Allerdings muss aus meiner Sicht gerade in der Medizin Zeit sein, Innovationen zu denken und diese dann auch aus der Medizin heraus zu realisieren.

Es ist ein großes Glück, dass der Digital Health Accelerator des Berlin Institus of Health das Potenzial gesehen, dass diese Entwicklung weltweit Schwangeren helfen kann. Das Funding und vor allem auch das Mentoring-Programm drumherum, versetzt mich nun in die Lage, zu helfen und zu gründen.

Inwieweit unterstützt Sie der Digital Health Accelerator des Berlin Instituts of Health bei ihren unternehmerischen Aktivitäten?
Eigentlich bei allem (lacht) seit wir unsere Idee dort gepitched haben und die Förderung bekamen. Das Programm sieht neben einem ordentlichen Funding vor allem das Mentoring in allen relevanten Disziplinen vor, die es für das erfolgreiche Gründen einer Idee braucht. Nicht nur unternehmerisch, auch entwicklungstechnisch, UX u.s.w. schließlich ist meine Kernprofession die Medizin und Forschung, so dass die Unterstützung extrem hilfreich ist. Und natürlich haben wir hier eine Vernetzungsplattform gefunden, die uns fachlich neue Impulse geben kann und im Sinne der Patientensicherheit sehr förderlich ist.

Kürzlich wurden Sie mit einem Startup aus Israel verbunden, die komplementär zu ihren Aktivitäten arbeiten. Worum geht es dabei genau und inwieweit arbeiten Sie nun gemeinsam weiter?
Also, „zusammengebracht“ und „gemeinsam weiter“ ist vielleicht ein bisschen zu weit vorgegriffen. Aber dieser Kontakt und das nun gemeinsame Ausloten etwaiger Synergien, zeigt sehr gut, dass selbst hervorragende Ideen nicht nur von Expertise, sondern mitunter auch von glücklichen Zufällen leben. Das Ergebnis sieht allerdings in der Tat vielversprechend aus: Das israelische Unternehmen hat ein Homemonitoring-System zur Überwachung der Herztöne ungeborener Kinder entwickelt – über Hardware und Cloud Services kann auch hier ein langfristiger Krankenhausaufenthalt vermieden werden, ohne Sicherheitsrisiken für die Schwangeren und ihre Ungeborenen einzugehen.

Dank der Kooperation des BIH mit der Israeli Innovation Authority im Health Tech Pilot Program bekommen wir nun die Möglichkeit eine gemeinsame Lösung für Präeklampsie zu entwickeln. Für unser System des Homemonitorings wäre das eine tolle Ergänzung, da mit der eigenen Krankheit für die Mutter auch immer eine große Sorge um ihr Kind einhergeht. Hier ein zusätzliches Sicherheitssystem anbieten zu können, erleichtert vielen diese ohnehin dramatische Zeit.

Was würden Sie gerne anderen ‘Medical Entrepreneurs’ oder Ärzt:innen weitergeben, die eine Gründungsidee haben, aber zurzeit weder die Zeit finden, die eigene Idee weiter zu verfolgen, noch wissen, welche Schritte für eine Unternehmensgründung notwendig sind?
Erst einmal möchte ich auch das Krankenhausmanagement ermutigen, solchen Ideen mehr Freiräume zu geben. Und das sage ich im vollen Bewusstsein, der ohnehin angespannten Situationen auf den Stationen, nicht nur monetär, sondern vor allem auch personell. Doch, wenn denen, die aus ihrem Fachgebiet heraus innovativ und anders denken können, solche Freiräume gegeben werden, ist das erstens ein großes Plus im Arbeitgebermarketing und zweitens ein echter Dienst am Patienten und der Krankenversorgung. Projektgebundene „protected time“ wäre hier ein Schlagwort, dass es gut widerspiegelt.

Doch zu Ihrer Frage: Gehen Sie mit Ihrer Idee hausieren! Ja, im ernst. Mittlerweile gibt es tatsächlich auch neben dem Accelerator des BIH genügend Labs, Hubs oder andere Acceleratoren und Teams, die dankbar sind, an konkreten Problemen entlang Lösungen zu medizinischen Fragestellungen zu entwickeln und nicht den umgekehrten Weg zu gehen. Es muss nicht alles durch eine einzelne Person auf den Weg gebracht werden. Erfolgreiche Projekte und Umsetzungen sind immer Teamarbeit – und je mehr Disziplinen zusammenarbeiten, desto besser ist das Resultat.

Was fehlt Ihrer Meinung nach heute im Gesundheitssystem, um Innovationen wie Ihre gezielter vorantreiben zu können?
Das Konzept des „clinician scientist“ ist in Deutschland noch ausbaufähig, da Forschung im „laufenden Betrieb“ immer noch nicht ausreichend unterstützt wird, sondern immer als selbstausbeuterische Selbstverständlichkeit billigend in Kauf genommen wird, bzw. vorausgesetzt wird. Hieran muss sich etwas ändern. Der Arztberuf ist heute anders. Ärzt:innen schauen mittlerweile übergreifender auf ihre Patienten und Fachgebiete, entwickeln Ideen und haben mit der Digitalisierung auch ein Instrument an der Hand, ihr Wissen und ihre Ideen zu teilen, um gemeinsam Projekte zielführend voranzubringen. Diese Entwicklung sollte goutiert und unterstützt werden – im Sinne einer zeitgemäßen Krankenversorgung.

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