Wie müsste das Nationale Gesundheitsportal (NGP) inhaltlich und funktional ausgestaltet sein, damit hausärztliche Primärversorger darin eine sinnvolle Ergänzung zu ihrer täglichen Informations- und Beratungstätigkeit sehen? Dieser Frage ist eine Studie des Zentrums für Allgemeinmedizin und Geriatrie (ZAG) der Universitätsmedizin Mainz nachgegangen, die in Kooperation mit dem health innovation hub des Bundesministeriums für Gesundheit im Vorfeld des NGP-Launchs konzipiert und durchgeführt wurde. Dabei wurden hausärztliche Positionen, Bedürfnisse und Anforderungen mit Blick auf ein Nationales Gesundheitsportal systematisch ermittelt. Die Ergebnisse wurden für die Realisierung des Portals berücksichtigt.
Demnach sehen auch Hausärzt:innen einen Bedarf für ein nationales Gesundheitsportal. 54% stehen einem solchen neutralen Wissensportal zumindest positiv gegenüber; 49% sehen sogar ein großes Unterstützungspotenzial für den Informationsbedarf ihrer Patient:innen. Angeführt wird v. a. die Entlastung ärztlicher Beratungsleistungen (68%), die Optimierung der Arzt-Patient-Kommunikation (56%), eine Stabilisierung ängstlicher Patient:innen (42%) und auch die Möglichkeit einer besseren ‚Schulung‘ für die Anforderungen und Funktionsweisen des Gesundheitssystems (41%).
Wertvolle Anregungen aus Reihen der Ärzt:innen
„Mit dem Nationalen Gesundheitsportal haben wir ein leicht verständliches, neutrales und wissenschaftlich fundiertes Informationsangebot geschaffen, das neben den Patient:innen auch Ärzt:innen hilft. Daher freut es uns sehr, dass viele von ihnen dem Konzept des Portals aufgeschlossen gegenüberstehen. Die Befragung hat uns wertvolle Anregungen für den Aufbau des Portals gegeben”, sagt Christian Klose, Unterabteilungsleiter im BMG und verantwortlich für das NGP.
Hausärzt:innen nehmen eine zentrale Lotsen-Funktion für ihre Patient:innen im Gesundheitssystem ein – selbst wenn diese sich bei gesundheitlichen Beschwerden zuvor im Internet informiert haben. Entsprechend groß ist die Bandbreite an Symptomen, Erkrankungen und Patientenklientelen, mit denen gerade niedergelassene Allgemeinmediziner im Praxisalltag zu tun haben. Vor diesem Hintergrund kann das Nationale Gesundheitsportal einen wertvollen Beitrag zu einer effektiveren Aufklärung, Beratung und letztendlich auch Versorgung leisten, so es den spezifischen Bedürfnissen, Erwartungen und Anforderungen hausärztlicher Behandler entgegenkommt.
Im Zentrum der Studie stand die Frage, in welcher Weise bzw. unter welchen Voraussetzungen ein Nationales Gesundheitsportal die Beratungs- und Informationstätigkeit niedergelassener Allgemeinärzte sinnvoll unterstützen und ergänzen kann. Die vom ZAG realisierte Studie gliedert sich in zwei Teiluntersuchungen. Zunächst diskutierte im November 2019 eine Fokusgruppe von elf Hausärzt:innen zusammen mit einem Vertreter des health innovation hubs über Anwendungshorizonte und die Nutzbarmachung des Nationalen Gesundheitsportals für das hausärztliche Setting. Anschließend wurde auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse im Januar und Februar 2020 eine schriftliche Befragung sämtlicher Hausärzt:innen in Rheinland-Pfalz und im Saarland durchgeführt (ca. 3000).
An der Befragung teilgenommen haben 745 Allgemeinmediziner (Rücklaufquote: ca. 25%).
Wichtige Ergebnisse der Studie sind:
Hausärztinnen und Hausärzte wünschten sich eine evidenzbasierte, seriöse und allgemein bekannte nicht-kommerzielle Onlineplattform zur Gesundheitsinformation und standen dem Konzept eines Nationalen Gesundheitsportals sehr aufgeschlossen gegenüber
- Allgemeinärzte sehen eine Reihe konkreter Unterstützungs- und Effektivierungspotenziale, die das Nationale Gesundheitsportal zum Behandlungs- und Versorgungssetting beitragen könnte (vor allem Optimierung der Arzt-Patient-Kommunikation, Entlastung bei ärztlicher Beratung und Aufklärung). Der primärärztlichen Lotsenfunktion entsprechend, erhoffen sich Hausärzte von einem Nationalen Gesundheitsportal eine Unterstützung von Patienten bei der Orientierung im Gesundheitswesen und einer angemessenen Inanspruchnahme von Gesundheitsdienstleistungen. Zudem soll dem Aufkommen von Gesundheitsängsten entgegengewirkt und Versorgungssettings längerfristig stabilisiert werden (z.B. durch gezielte Information pflegender Angehöriger).
- Anforderungen, die Hausärzte hinsichtlich der inhaltlichen Schwerpunkte eines Nationalen Gesundheitsportals formulieren, beziehen sich jenseits einer klaren Evidenz- und Leitlinienorientierung auf die Abdeckung allgemeinmedizinisch relevanter Themenfelder. Besonderes Augenmerk gilt dabei der Gesundheitsförderung und Prävention. Wichtig ist den Diskussions- und Befragungsteilnehmern eine symptomorientierte Darstellung, die in Verbindung mit einer kompetenten und innovativen redaktionellen Ausgestaltung (kompakte, gut verständliche Texte, Einbindung von Visualisierungen und Erklärvideos) in der Lage ist, das Verständnis für die eigene Erkrankung zu fördern und zu verbessern, beruhigend auf Patienten einzuwirken und das Aufkommen von unbegründeten Sorgen bzw. Ängsten frühzeitig zu verhindern.
- Für einen Teil der Ärzte ist vorstellbar, über das Nationale Gesundheitsportal individualisierbare Informationen für ihre Patienten zusammenzustellen und den Austausch mit Fachkollegen zu suchen, um so etwa Good-Practice-Beispiele weiterzugeben.
„Sowohl die Diskussions- als auch Befragungsergebnisse belegen, dass Allgemeinärztinnen und -ärzte klare Chancen für eine bessere Information, Beratung und Versorgung von Patienten in der Schaffung einer nationalen Gesundheitsplattform ausmachen.“, so Dr. Julian Wangler, der die Studie zusammen mit Prof. Dr. med. Michael Jansky entwickelt und umgesetzt hat. „Mit Blick auf die hausärztliche Versorgung wird es darauf ankommen, das Portal so auszugestalten, dass nicht lediglich leitlinienkonforme und gut verständliche Informationen symptomorientiert vermittelt werden, sondern auch das Arzt-Patient-Verhältnis weiter gestärkt, die Orientierung von Patienten im Gesundheitswesen verbessert und die langfristige (psychosoziale) Stabilität von Patienten und Versorgungssettings unterstützt wird.“
Die Ergebnisse werden vom ZAG in wissenschaftlichen Fachzeitschriften veröffentlicht und im Rahmen verschiedener Fachveranstaltungen und Diskussionsrunden im Bereich der Versorgungsforschung vorgestellt.
Abstract der Studie
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