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NUM-COMPASS – Forschungsvorhaben, aber auch praktische Hilfe

Gegründet wurde das Nationale Forschungsnetzwerks der Universitätsmedizin zu Covid-19 (NUM), um das universitäre Wissen zur Bewältigung der Pandemie zu bündeln und zu stärken. Ein Gespräch mit Peter Gocke, Leitung Stabsstelle Digitale Transformation an der Charité und Mitglied im Lenkungsausschuss des NUM-COMPASS, über das Zusammenrücken der Wissenschaft in Zeiten der Pandemie.

von hih

Es ist ja durchaus normal, dass Uniklinika gemeinsame Projekte aufsetzen und vorantreiben.  Was ist das bemerkenswerte am NUM-Compass-Projekt?
Dass Unikliniken gemeinsame Forschungsprojekte aufsetzen ist in der Tat nicht ungewöhnlich. Das NUM-Compass-Projekt ist aber kein reines Forschungsvorhaben, sondern will auch einen Beitrag zur konkreten medizinischen Hilfestellung zum Beispiel in Pandemiesituationen leisten. Gerade diesen Aspekt, dass Forschung und medizinische Versorgung deutlich enger zusammenrücken finde ich sehr begrüßenswert. Im NUM-Compass-Projekt haben sich dazu innerhalb kurzer Zeit nicht nur Unikliniken, sondern auch IT-Dienstleister und weitere Forschungseinrichtungen zur gemeinsamen Arbeit zusammengefunden.

Welchen Auslöser gab es für dieses Forschungsprojekt?
Die COVID-19 Pandemie hat in vielen Bereichen Unterstützungs-Aktivitäten zur Bekämpfung der Pandemie ausgelöst. Unter anderem haben nicht wenige Programmierer Zeit und Mühe investiert, um eine Vielzahl von Apps zu entwickeln – so zum Beispiel beim Healthcare Hackathon Berlin und Mainz 2020.  Apps können sicherlich ein sehr hilfreiches und wertvolles Instrument sein, aber nur dann, wenn diese auch breit genutzt werden – ein gutes Beispiel hierfür ist die Corona-Warn-App. Daher entstand die Idee, im Compass Projekt Grundlagen dafür zu schaffen, den Einsatz von Apps durch die Publikation von Best-Practice – Ansätzen, inklusive Datenschutzbetrachtungen und Methoden und Werkzeugen zur (soweit das möglich ist) Sicherstellung von Interoperabilität und standardisierter Datennutzung zu entwickeln.

Wird die Plattform auch nach der Pandemie Bestand und Berechtigung haben?
Zum einen erleben wir gerade, dass die aktuelle Pandemie uns doch deutlich länger beschäftigen wird als anfangs von manchen vielleicht gehofft wurde. Außerdem haben weltweit auch andere Viren das Potenzial, eine Pandemie auszulösen – insofern gehe ich schon allein deshalb davon aus, dass diese Plattform auch weiterhin eine Berechtigung hat und Bestand haben wird.
Darüber hinaus hat uns die Pandemie aber auch gezeigt, wie wertvoll und wichtig Möglichkeiten sind, medizinische Daten schnell, in guter Qualität und mit den Möglichkeiten einer gemeinsamen Auswertung zu erfassen. Insofern werden wir den Einsatz von Apps sicherlich auch außerhalb von Pandemie-Situation in anderen Bereichen der Medizin sehen, und auch hier sind die im Compass-Projekt erarbeiteten Ergebnisse ein wertvoller Beitrag die Entwicklung und den Einsatz von Apps im Medizinischen Alltag zu erleichtern.

In welchem Maß sind auch internationale Mediziner und Wissenschaftler eingeladen, zu partizipieren?
Die Ergebnisse des Compass-Projektes werden publiziert, entwickelte Werkzeuge möglichst ohne Ausnahmen als Open Source bereitgestellt – inklusive der dazugehörigen Dokumentation in englischer Sprache. So möchte das Projekt auf jeden Fall sicherstellen, dass sowohl nationale wie auch internationale Mediziner und Wissenschaftler die Möglichkeit haben, die vom Projekt erzielten Ergebnisse – auch in eigenen Weiterentwicklungen – zu nutzen.

Kann man von Schwerpunkten sprechen oder bekommen alle Teile dieselbe Aufmerksamkeit?
Das Compass-Projekt fokussiert sich darauf, Apps für die standardisierte und strukturierte Erfassung von Daten nutzbar zu machen – und betrachtet dabei sowohl rechtliche und ethische Grundlagen als auch Fragen der Usability und der Schnittstellen zu Daten-Plattformen zur Auswertung dieser Daten. Um Apps erfolgreich einsetzen zu können, müssen alle diese Aspekte angemessen berücksichtigt werden. Dabei ist das Projekt selbst ein Bestandteil des NUM-Pandemienetzwerks der Universitätsmedizin und tauscht sich mit den anderen Teilprojekten aus, denn Apps funktionieren in der Regel nicht für sich alleine, sondern eher als ein wichtiger Baustein im Kontext eines größeren Systems.

Nimmt man die Plattform als Startpunkt – wohin soll die Reise gehen?
Wenn man digitale Medizin in einem einzigen Satz beschreiben möchte (was man vermutlich nicht tun sollte), wäre das am ehesten: Orts-und zeitunabhängige medizinische Versorgung durch Algorithmen-unterstützte, gemeinsame Nutzung hochqualitativer, strukturierter Daten in Echtzeit.  Genau dies erfordert aber die Etablierung und Nutzung von Plattformen, auf denen sowohl die Daten prozessiert werden können, aber auch die notwendigen Services angeboten werden können – und Apps werden eine wichtige Rolle dabei spielen, Menschen sowohl medizinische Services anbieten zu können als auch das einfache Erfassen und/oder Weitergeben von Daten zu ermöglichen. In diese Richtung weisen ja auch die BMG-Gesetzesinitiativen der letzten Jahre, und auch die immer deutlicher erkennbar werdende Ausgestaltung der Telematik-Infrastruktur. Insofern gehen wir davon aus, dass sich viele der im NUM-Kompass-Projekt entwickelten Elemente in dieser zukünftigen Plattform- und App- basierten Medizin wiederfinden werden.

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