Dr. Reinhard Wichels: Das KHZG beherrscht derzeit sämtliche Diskussionsrunden in den Krankenhäusern und unsere Berater erleben live mit welcher Dynamik sich die Digitalisierung ihren Weg bahnt. In deiner Position beobachtest du aus großer Flughöhe das Geschehen? Ist das KHZG auch aus deiner Sicht der Gamechanger, den wir uns alle für die Digitalisierung im Gesundheitswesen wünschen?
Prof. Jörg Debatin: Wir beobachten nicht nur durch das KHZG – sondern zusätzlich getriggert durch die Pandemie – eine wachsende Bereitschaft von Ärzten, Pflegenden und Geschäftsführungen die Möglichkeiten auszuloten, die digitale Technologien eröffnen. Das ist neu! Das Gesetz ist praxisorientiert und verfolgt die smarte Idee kommunizierender Systeme; es ist inhaltlich klar strukturiert und setzt auf messbare Effekte.
Nach einer Bestandsaufnahme in den Klinken in diesem Jahr wird in zwei Jahren geschaut, was genau sich verändert hat. So können wir aus den Erfahrungen lernen und sehen, welches Haus die Fördermittel erfolgreich eingesetzt hat. Auch das Prinzip „Zuckerbrot und Peitsche“ gefällt mir: Jetzt gibt es richtig viel Geld, um die digitale Transformation in den Kliniken auf den Weg zu bringen. Für alle, die den Knall nicht gehört haben, gibt es ab 2025 Kürzungen auf der Umsatzseite, wenn bis dahin verbindlich vorgeschriebene digitale Bausteine nicht umgesetzt sind.
Dr. Reinhard Wichels: Auf jeden Fall wurde das Gesetz von Experten entworfen, die die Abläufe im Gesundheitswesen kennen. Man hat sich den Prozess, den ein Patient bei der stationären Versorgung durchläuft – von der Aufnahme bis zur Entlassung und darüber hinaus – ganz genau angesehen und so das Gesetz gegliedert. Diesen Ansatz finde ich gelungen und praxisnah.
Prof. Jörg Debatin: In der Tat. Einige Elemente sind dabei ganz typisch für die aktuelle Ausrichtung des BMGs unter Jens Spahn. Durch das Winken mit der Möhre bringt man Schwung ins schwerfällige Gesundheitswesen und ist dann auch konsequent, wenn nach der Förderung die Umsetzung nicht erfolgt. Das KHZG richtet sich an der „Patient Journey“ aus. Die elf digitalen Handlungsfelder greifen in Modulen den Verlauf eines stationären Aufenthalts auf. Herausgekommen ist ein Leitfaden zur Digitalisierung der klinisch relevanten Prozesse im Krankenhaus. Der Patient steht im Mittelpunkt – auch dies eine Überzeugung Jens Spahns, die er mit Leidenschaft ins BMG getragen hat.
Leider lässt die Umsetzung der klaren Vorgaben durch einige Länder zu wünschen übrig. Einzelne wollen offenbar von der gezielten Projektförderung zurück zur Gießkanne. Dennoch: Als Gesamtwerk ist das Gesetz gelungen. Es fließen erhebliche Mittel – in kurzer Zeit – mit einer klaren Zielsetzung. Besonders gefällt mir die Zertifizierung der Berater. Man sagt quasi: „Versteht, was wir erreichen wollen, bevor ihr loslauft.“ Das ist doch richtig gut und sollte auch Vorbild für andere Gesetze sein.
Dr. Reinhard Wichels: Einverstanden. Man erkennt Aspekte, die man aus anderen Gesetzgebungsverfahren bisher nicht kannte. Aber wird es den nachhaltigen Digitalisierungsschub geben, den sich alle erhoffen, oder ist das wieder nur ein Strohfeuer? Und werden die Krankenhäuser, die das KHZG besser umsetzen, hinterher auch wettbewerbsfähiger sein?
Prof. Jörg Debatin: Das Gesetz wird die Krankenhauslandschaft nachhaltig verändern. Denn in drei Jahren wird geschaut, wie erfolgreich die Kliniken ihre Projekte umgesetzt haben. Wer dann nichts vorzuweisen hat, ist doppelt gestraft: Zwei Prozent des Umsatzes werden pauschal gekürzt und diese Kliniken werden identifizierbar sein. Somit geht es beim KHZG nicht nur um Digitalisierung: Durch die positiv/negativ Charakterisierung wird auch erkennbar, wer Zukunft gestalten kann und wer nicht. Meine Prognose: [Das komplette Interview auf kma-online]
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